Thoriumreaktor – eine mögliche „sanftere“ Atomkraft
Ein Thoriumreaktor ist eine spezielle Form eines Kernreaktors, der statt klassischem Uran als Brennstoff das Element Thorium-232 nutzt. Thorium ist in der Erdkruste etwa dreimal so häufig wie Uran und wird in Ländern wie Indien, China oder Norwegen als Alternative zur herkömmlichen Kernkraft erforscht.
Funktionsweise
Thorium selbst ist kein spaltbares Material, sondern ein sogenanntes Brutmaterial.
Im Reaktor wird Thorium-232 durch Neutronenbestrahlung in Uran-233 umgewandelt – und dieses Isotop ist spaltbar und liefert die eigentliche Energie.
Besonders geeignet sind dafür Flüssigsalzreaktoren, in denen der Brennstoff in geschmolzenem Salz gelöst ist. Dadurch kann der Reaktor bei sehr hohen Temperaturen betrieben werden und gleichzeitig als „intrinsisch sicher“ gelten, weil sich die Reaktion bei Problemen selbst abschwächt.

Vorteile eines Thoriumreaktors
Weniger langlebiger Atommüll: Der Anteil hochradioaktiver Abfälle mit extrem langen Halbwertszeiten ist geringer als bei Uran-Reaktoren.
Sicherheit: Flüssigsalzreaktoren arbeiten mit niedrigem Druck und haben eingebaute Sicherheitsmechanismen – z. B. kann das Salz bei Überhitzung automatisch in einen Auffangbehälter abfließen.
Rohstoffverfügbarkeit: Thorium ist weit verbreitet, oft als Nebenprodukt im Bergbau.
Geringeres Proliferationsrisiko: Die Erzeugung von waffenfähigem Material ist schwieriger als bei klassischen Uran-/Plutonium-Reaktoren.
Trotz der Vorteile gibt es noch erhebliche Hürden, die die Forschung lösen muss:
Probleme und Forschungsherausforderungen
- Materialbeständigkeit bei hohen Temperaturen
Flüssigsalz ist sehr korrosiv und greift Metalle an.
Es braucht neue Legierungen oder Beschichtungen, die Jahrzehnte standhalten.
Wahrscheinlichkeit der Lösung: Hoch – technisch machbar, aber teuer.
- Handhabung von Uran-233
Begleitet von Uran-232, das extrem starke Gammastrahlung abgibt.
Erschwert Lagerung, Transport und Wiederaufbereitung.
Wahrscheinlichkeit: Mittel – machbar, aber wirtschaftlich problematisch.
- Brennstoffkreislauf & Wiederaufbereitung
Kontinuierliche chemische Aufbereitung im Betrieb ist sehr komplex.
Bisher nur im Labor erprobt, keine industrielle Erfahrung.
Wahrscheinlichkeit: Gering bis mittel – größte Hürde.
- Reaktorphysik & Steuerung
Thorium braucht einen „Starterbrennstoff“ (z. B. Uran-235 oder Plutonium).
Steuerung ist komplexer als bei klassischen Reaktoren.
Wahrscheinlichkeit: Mittel bis hoch – technisch lösbar, politisch sensibel.
- Fehlende industrielle Erfahrung
Bislang nur Pilotanlagen (z. B. China 2021).
Hochskalierung kostet Milliarden und dauert Jahrzehnte.
Wahrscheinlichkeit: Hoch – wenn Staaten wie China oder Indien konsequent investieren.
Fazit
Thoriumreaktoren sind ein faszinierendes Konzept: sicherer, effizienter und mit weniger Müll als herkömmliche Uran-Reaktoren. Die Technik steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Viele Probleme sind theoretisch lösbar, aber wirtschaftlich und politisch stellt sich die Frage, ob sich der enorme Aufwand lohnt – gerade weil parallel SMRs als schnelle Lösung und die Kernfusion als langfristige Vision im Rennen sind.
Ob Thorium also wirklich ein „Game Changer“ wird, hängt weniger von der Physik ab – sondern davon, ob jemand bereit ist, die Milliarden für die nötige Entwicklung in die Hand zu nehmen.
Wer sich ein bisschen genauer mit der Technologie der Flüssigsalzreaktoren (engl. molten salt reactor, MSR) auseinandersetzen möchte, der kann sich folgendes Video ansehen: